Russland:
Bericht der KRAS-IAA
(an den IAA-Kongress
2009)
Allgemeine Situation
Die
allgemeine Lage in Russland ist, dass das Land von einer tiefen
Wirtschaftskrise betroffen ist. Der Produktionsumfang in Russland ist
in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 um 16 % gefallen. Die
offizielle Arbeitslosenrate beträgt über 2 Millionen, aber
gemessen an den Kriterien der ILO (Internationale
Arbeitsorganisation) sind es 6-7 Millionen. Es wird erwartet, dass
die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahresende 10 Millionen erreicht.
Nach Angaben des Ministeruims für Gesundheit und soziale
Entwicklung wurden seit Beginn der Krise mehr als 700.000 Leute
entlassen. Viele hunderttausend Arbeiter/innen mussten ihre
Arbeitszeit verringern, was entsprechende Lohnkürzungen nach
sich zog.
Hinter diesen schlichten Zahlen verbergen jedoch
reale Menschen, wirkliche Schicksale. Für sie bedeutet es
Depression, Hoffnungslosigkeit, mangelnder Unterhalt, Sinnlosigkeit
und Verzweiflung. Krankheit, Alkoholismus, Selbstmord... viele haben
kein Geld für Medizin - der Verbrauch an Medikamenten in
Russland ist auf einen Tiefstand von 9% gesunken.
Die Chefs
nutzen diese Krise zu weiteren Angriffen auf die Arbeiter/innen mit
Lohnkürzung und verschlechterten Arbeitsbedingungen. Krise ist
Geschäft.
Unglücklicherweise verhält sich die
Bevölkerung - wie in anderen Ländern - angesichts der Krise
meist passiv. Es gibt fast keine Streiks und keine radikalen Aktionen
mehr, wie Fabrikbesetzungen und Solidaritätsstreiks. Natürlich
ist die offizielle Zahl eine Lüge, nach der es in der ersten
Jahreshälfte nur einen einzigen Streik gegeben habe, an dem sich
10 Leute beteiligt hätten. Aber selbst die Statistiken der
grundsätzlich arbeiterfreundlichen Organisationen sind von
Entäuschung geprägt: nur wenige kleine
"Arbeitsplatzkonflikte" wurden aufgelistet.
Behörden,
Opposition und Gewerkschaftsbürokratie versuchen gemeinsam jeden
sozialen Protest zu verhindern. Die offiziellen und die
"alternativen" Gewerkschaften predigen den "sozialen
Frieden" und ein Klassenbündnis. Sie beschränken sich
darauf, dass der Staat eingreift und "umstrukturiert". Alle
Versuche von Selbstorganisation der Arbeitskämpfe sind extrem
klein und werden rücksichtslos unterdrückt.
Wir haben
Informationen über verschiedene Fabriken und Firmen erhalten,
in denen Arbeiter/innen entlassen wurden, die unabhängige
Gewerkschaften gründen wollten. Es gab wiederholt Fälle von
direkten körperlichen Angriffen auf Gewerkschaftsaktivist/innen. Einer ist jetzt im Knast, weil bei ihm angeblich Drogen gefunden
wurden.
Das allgemeine politische Klima hat sich auch im Zuge
des politischen "Kampf gegen Extremismus" verschlechtert.
Demonstrationen und Straßenkundgebungen, auch legale, werden
oft aufgelöst. Die Behörden überziehen
Antfaschist/innen und Opfer von Polizeibrutalität mit
Gerichtsprozessen und klagen sie an wegen "Widerstand". Es
gibt Fälle von politischen Morden, die Opfer sind
Antifaschist/innen und Vertreter/innen der oppositionellen
Öffentlichkeit.
Die KRAS-IAA
Die KRAS-IAA ist momentan in einer Phase
der Reorganisierung. Wir haben drei syndikalistische Initiativen in
Moskau (Bildung, Forschung und Technik [FRONT] - Information und
Kultur - branchenübergreifend [MOST]) und auch Mitglieder in
einigen anderen Städten (Rostov am Don und Tula). Wir geben die
Zeitung "Direkte Aktion" [Pryamoye Deystviye] heraus und
das Magazin "Libertärer Gedanke" [Libertarnaya
Mysl].
Aktivitäten der KRAS-IAA (von 2007 bis Oktober 2009)
Sommer
2007 - Anfang 2008:
Mitglieder der KRAS beteiligen sich an
Protestaktionen von moskauer Mieter/innen, die sich gegen den Bau von
Nobelhäusern richten. Versuch den Einfluss der politischen
Parteien und reaktionären Ideen in dieser Bewegung
zurückzudrängen. Die Bemühungen, den Kampf auszuweiten
und ein anarchistisches Magazin für diese Bewegung
herauszugeben, scheitern dank der Unterstützung anderer
Libertärer, die in der Bewegung aktiv sind.
November
2007:
Aktivist/innen der KRAS unterstützen den Streik in der
Ford-Autofabrik in Vsevolozhsk (nähe St. Peterburg): Teilnahme
an Streikposten, Flugblätter für Selbstverwaltung verteilt,
Hilfsmaterial für die Streikenden gesammelt
Frühjahr
2008:
Mitglieder und Unterstützer/innen der KRAS nehmen an
den Demonstrationen und Treffen gegen Polizeiwillkür in Moskau
teil
April/Mai 2008:
Mitglieder und Unterstützer/innen
der KRAS zeigen ihre Solidarität mit dem Arbeitskampf der
Lokomotivfahrer/innen in der Region Moskau (Agitation, Teilnahme an
Streikposten, Solidaritätsbekundungen bei
Gerichtsverfahren)
Erster Mai 2008:
Teilnahme an der
Moskauer Mai-Demonstration
Juni 2008:
Gründung der
"Föderation der Arbeiter/innen in Bildung, Forschung und
Technik" (FRONT) im Rahmen der KRAS Moskau
5. Juni
2008:
Teilnahme am Internationalen Protesttag gegen
Starbucks
August 2008:
Erklärung der FRONT gegen den
neuen Krieg in Transkaukasien, die in viele Sprachen übersetzt
und auf der ganzen Welt verbreitet wurde
25. August
2008:
Teilnahme am Anti-Kriegs-Treffen in Moskau
29. August
2008:
Flugblattverteilung vor der Niederlassung des
Internationalen Roten Kreuzes in Moskau im Rahmen der internationalen
Proteste gegen die Entlassung des Genossen F. Piu in
Argentinien
Herbst 2008:
Nach einem Referendum wurde die
moskauer Organisation der KRAS neuorganisiert (Ausschluss von drei
Mitgliedern wegen Ethno-Nationalismus und Gewerkschaftsfeindlichkeit)
als
branchenübergreifende Gewerkschaft und nennt sich
nun MOST [Межотраслевой союз
трудящихся]. Die moskauer Organisation der KRAS besteht aus
FRONT und MOST.
19.
September 2008:
Teilnahme an Protestaktion für den
antifaschistischen Gefangenen Alexey Bychin
7. Oktober
2008:
Teilnahme an Streikposten gegen Leiharbeitsagenturen in
Moskau und Verteilung des revolutionären,
anarchosyndikalistischen Flugblatts "Welche Gewerkschaft
brauchen wir?" auf einem Treffen, das von den offiziellen
Gewerkschaften unter dem Motto "Gewerkschafts-Protesttag"
organisiert wurde
7. November 2008:
anarchistischer Block
auf der traditionellen Demonstration am Revolutionstag von 1917
18.
November:
Agitation auf einem Treffen gegen die Krise und gegen
Angriffe auf Arbeiterrechte
Dezember 2008:
Aktivist/innen
der KRAS nehmen teil an Solidaritätsaktionen für den
griechischen Aufstand. KRAS-Flugblätter über Griechenland
werden am 26.12. auch in einer Hochschule in Moskau
verteilt
Dezember 2008:
Mitglieder von MOST nehmen
teil an Aktionen gegen den Bau einer Verbrennungsanlage in
Moskau
31. Dezember 2008 - März 2009:
KRAS-Mitglieder
organisieren eine Kampagne gegen die Anhebung der Fahrpreise in
Moskau, für kostenlosen Nahverkehr (Graffiti,
Flugblätter,...)
17. Januar 2009:
Teilnahme an einer
ökologischen Protestversammlung
Januar / Februar
2009:
Nach dem Mord an dem linken Anwalt S. Markelov und der
anarchistischen Journalistin N. Baburova durch Todesschwadronen
nehmen Aktivist/innen der KRAS an einigen Protestaktionen gegen
Polizeimorde in Moskau teil. Auch in anderen Ländern gibt es
Proteste nachdem die KRAS einen Aufruf veröffentlicht
(Frankreich, CNT-IAA,...)
1. März 2009:
Teilnahme an
einem Treffen zur Unterstützung für unterdrückte und
verfolgte Arbeiter/innen und Gewerkschaftsaktivist/innen
April
2009:
Die KRAS hat Einzelmitglieder und Unterstützer/innen in
der Region Tula. Im folgenden Monat verteilen die Genoss/innen
Flugblätter und Zeitungen der KRAS in einigen Hochschulen und
auf Plätzen in Tula.
22. April 2009:
Teilnahme an
einer anarchistischen und antifaschistischen
Solidaritätsdemonstration für den inhaftierten
Antifaschisten Olesinov in Moskau
Erster Mai 2009:
Teilnahme
an Mai-Aktionen, Flugblattverteilung und Zeitungsverkauf
Erster
Mai 2009:
Solidaritätsaktion für die streikenden
Arbeiter/innen bei Visteon in Britannien (ein Protesttransparent wird
gegenüber der Niederlassung der Firma "Ford" in Moskau
angebracht)
Frühjahr 2009:
Sammeln und Senden von
Unterstützungsgeldern für die Arbeiter/innen von "Disco
de Oro" in Argentinien
Mai
- Juni 2009:
Die KRAS hilft den streikenden Arbeiter/innen im
Geschäft "World of Children" in Khimki bei Moskau
(Beratungen, Flugblätter, Protestbriefe,...)
Juni
2009:
erstes Treffen der libertären Lehrer/innen in
Moskau
Sommer 2009:
Kontakt zu Unterstützer/innen der
KRAS in Rostov am Don wird hergestellt. Nun hat die KRAS ein
Einzelmitglied in der Stadt. Im Sommer und Herbst werden
Veröffentlichungen der KRAS in drei Fabriken in der Stadt
verteilt.
Sommer
2009: Protestbrief für die Kinoarbeiter/innen bei "Babylon",
Berlin
August
2009:
Protestbrief der KRAS an die Verwaltung der Firma "Sealed
Air" in Argentinien gegen die Entlassung von Arbeiter/innen
22.
August 2009:
Schwarz-rote Fahnen werden demonstrativ auf einigen
Gebäuden in Moskau gehisst aus Protest gegen den offiziellen
"Tag der russischen Flagge"
14.
September 2009:
Die KRAS organisiert eine Kundgebung vor der
Ukrainischen Botschaft anlässlich des Gerichtsverfahrens gegen
soziale Aktivist/innen in Kiev
15. September 2009:
Die
KRAS organisiert eine Kundgebung vor der Serbischen Botschaft in
Moskau aus Protest gegen die Verhaftung von Anarchosyndikalist/innen
in Belgrad / Serbien
Herbst 2009:
Diskussion über die
Möglichkeit eine syndikalistische Gewerkschaft in Moskau legal
anzumelden
3.-4-
Oktober 2009:
Kongress der KRAS in Moskau
Oktober
2009:
neue Gewerkschaftsinitiative der KRAS in Moskau gegründet:
die Gewerkschaft der Informations- und Kulturarbeiter/innen
Mehr Informationen über
uns:
http://en.wikipedia.org/wiki/Konfederatsiya_Revolyutsionnikh_Anarkho-Sindikalistov
http://aitrus.info,
http://kras-ait.over-blog.com
Konfederatsiya
Revolyutsionnikh Anarkho-Sindikalistov (KRAS)
-
Internationale Arbeiter/innen-Assoziation (IAA)
Übersetzung:
Anarchosyndikat Köln/Bonn, http://anarchosyndikalismus.org/educat/
Dieser Artikel ist gemeinfrei bei Nennung der Autor/innen und Übersetzer/innen, sowie der Webseite http://anarchosyndikalismus.org