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Ägypten: Massenstreiks und Sitzblockaden

Am Tag nachdem in Ägypten millionenfach für die Absetzung der Regierung Mubarak demonstriert wurde, war das Land am 09.02. von einer Welle von Massenstreiks und Sitzblockaden betroffen. In der Hauptstadt Kairo und in anderen Landesteilen protestierten etwa 20.000 Arbeiter/innen aus verschiedenen Branchen für ihre Rechte. Anlass war auch die Wiederaufnahme der Produktion nach zwei Wochen nächtlicher Ausgangssperre.

Vor dem Hauptsitz des staatstreuen Ägyptischen Gewerkschaftsverbands (ETUF) demonstrierten hunderte Steuerangestellte gegen die korrupten Funktionär/innen und forderten deren Rücktritt. Hunderte Telekom-Arbeiter/innen blockierten mit ihrem Protest die Ramsesstraße in der Innenstadt während sie für höhere Löhne und gegen den Filz von Staatsgewerkschaft und Aufsichtsrat kämpfen.
 
Über 6.000 Arbeiter/innen, die bei fünf Firmen im Auftrag der Kanal-Behörde in Suez unter Vertrag stehen, sind  in den Streik getreten. Nach Schichtende waren sie im Betrieb geblieben und blockierten mit einem Sitzstreik die Firmenzentrale. Sie fordern eine finanzielle Gleichstellung mit den Kolleg/innen bei der Kanal-Behörde, sowie bessere Gesundheits- und Arbeitsbedingungen. Der Arbeitgeber behauptet, dass der für die Weltwirtschaft wichtige Verbindungsweg bisher von dem Streik nicht beinträchtigt wurde.

Nach Angaben des unabhängigen Gewerkschaftsverbandes "Center for Trade Union and Workers Services (CTUWS)" haben über 2.000 Arbeiter/innen die Seidenfabriken in Helwan bestreikt und das Büro des Chefs umstellt, dessen Rücktritt sie fordern. Auch in der Kohleindustrie von Helwan fordern tausende Arbeiter/innen mit einer Arbeitsniederlegung Vollzeitverträge und höhere Löhne.

Ebenso haben 400 Arbeiter/innen der Nationalen Stahlfabrik einen unbefristeten Streik für höhere Löhne begonnen. Und im Krankenhaus von Kafr El-Zaiat haben 1.500 Krankenpfleger/innen einen Sitzstreik für ausstehende Löhne organisiert. Auch in Mahala gab es einen Sitzstreik von mehr als 800 Weber/innen vor dem Verwaltungsgebäude der Spinnerei.

In Quesna haben über 2.000 Arbeiter/innen einer Pharmafabrik beschlossen in die Arbeit ruhen zu lassen. Währenddessen haben rund 5.000 arbeitslose Jugendliche ein Regierungsgebäude in Assuan gestürmt und den Rücktritt des Gouverneurs gefordert. In der Schweppes-Fabrik in Sadat-City haben 750 Kolleg/innen ebenfalls einen Sitzstreik für bessere Bezahlung durchgeführt.

Bei Nil-Textilien haben 800 Arbeiter/innen ebenfalls eine Sitzblockade vor der Firmenzentrale gemacht und dabei eine Lohnerhöhung, sowie eine Stunde Pause am Tag gefordert. Rund 3.000 Arbeiter/innen der staatlichen Eisenbahn haben mit einem Sitzstreik auf den Schienen den Zugverkehr lahmgelegt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Für den 10.02. sind weitere Proteste und ein unbefristeter Streik im Öffentlichen Nahverkehr angekündigt.

Der seit 16 Tagen andauernde Straßenkampf für politische Rechte ist eingebettet in jahrzehntelange Auseinandersetzungen für Arbeitsrechte und soziale Gerechtigkeit an denen sich trotz des Ausnahmezustands hunderttausende Arbeiter/innen an Arbeitskämpfen beteiligt hatten. Daher ist es verständlich, dass es während der aktuellen landesweiten Demonstrationen von Millionen Menschen gegen die Regierung nun auch verstärkte Arbeitskämpfe in zahlreichen Städten und Branchen gibt.

Nun gab es am 08.02. einen weltweiten Aktionstag des Internationalen Gewerkschaftsbundes (ITUC), dessen Mitglieder in einem Dutzend Länder ihre Solidarität mit den Kolleg/innen in Ägypten Ausdruck verliehen. In Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen wird am 12.02. einen weiterer globaler Aktionstag geplant.

Die Besetzung des Tahrir-Platzes und die Blockaden von Regierungsgebäuden in Kairo gehen mit zunehmender Kraft weiter. Für die erneute Freitagsdemo werden wieder Millionen Demonstrant/innen erwartet. Die Staatsgewalt droht nun mit der Ausrufung des Kriegsrechts. Sie hat bereits über 300 tote Demonstrant/innen zu verantworten, doch die Proteste und Streiks in zahlreichen Städten des Landes gehen weiter.


Anarchosyndikat Köln/Bonn


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