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Gegen den Krieg in Israel und Libanon!


Einige Hintergründe des Krieges

Der Grenzkonflikt zwischen Israel und dem nördlichen Nachbarland Libanon besteht nicht erst seit dem Rückzug der israelischen Armee im Jahr 2000. Die beiden Staaten und Syrien streiten sich zudem um das Gebiet der Sheba-Farmen in der Nähe des Berg Dov, das die israelische Armee (Israel Defense Force) besetzt hält. Und die beiden Konfliktparteien (israelische Armee und libanesische Hisbollah) hatten den vereinbarten Waffenstillstand mehrfach gebrochen, ohne dass es zu kriegerischen Handlungen gekommen wäre.

Am 12. Juli 2006 griff die schiitische Hisbollah-Miliz aus zwei gepanzerte Jeeps der isralischen Armee (IDF) an, erschoss acht SoldatInnen und verschleppte zwei weitere als Geiseln in den Libanon. Der politische und geistliche Führer der paramilitärischen Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, verkündete, dass er damit drei in Israel gefangene Libanesen freipressen wolle. Gleichzeitig kündigte er „Überraschungen“ an, falls die IDF militärische Auseinandersetzungen suchen würde.

Ohne Zögern beschloss das israelische Kabinett einstimmig einen gewaltigen Angriff auf den Libanon, da es sich angeblich um nicht um einen Terrorangriff, sondern um eine von der libanesischen Regierung (an der auch Vertreter der Hisbollah beteiligt sind) geduldete Kriegshandlung gehandelt habe. Noch am gleichen Abend bombardierte die israelische Luftwaffe den Libanon und zerstörte Brücken im Zentrum des Landes. Ausserdem wurden Stellungen der Hisbollah im Süden und der Flughafen von Beirut bombardiert, wobei 67 ZivilistInnen getötet und mehr als 60 verwundet wurden.

Daraufhin feuerte die Hisbollah die ersten von insgesamt etwa 4.000 Raketen auf den Norden Israels ab, wobei zwei ZivilistInnen getöt und 132 verletzt wurden. Der Angriff war der schlimmste seit dem Beginn des Libanon-Kriegs von 1982. Als die IDF am folgenden Tag versuchte mit Luftangriffen das Hauptquartier der Hisbollah in dem schiitischen Viertel von Beirut zu treffen und Scheich Nasrallah zu töten, wurden die Raketenangriffe erstmals auch auf nordisralische Städte, wie Haifa, ausgedehnt. Zwar war die Reichweite der Raketen nicht erwartet worden, aber die Angriffe kamen für Israels Regierung und Militär keinesfalls überraschend.

Das erklärte Ziel der israelischen Regierung war die Befreiung der Entführten und die Zerschlagung der Hisbollah, damit die Angriffe beendet werden. Ausserdem wurde erhofft, dass die Schiitenguerilla politisch isoliert würde und sich sich die libanesische Bevölkerung gegen die islamistischen Gotteskrieger auflehne, um den demokratischen Reformprozess zu verstärken. Dabei wird der israelische Ministerpräsident Olmert auch vom US-Präsidenten Bush unterstützt. Die Pläne der US-Regierung für den Nahen Osten sehen eine Schwächung der islamistischen Milizen Hamas (Palästina) und Hisbollah (Libanon) vor, die von den reaktionären Regierungen in Syrien und Iran unterstützt werden. Das Einflussgebiet der USA soll von Irak und Afghanistan aus verbreitet werden, wobei die US-freundlichen Regierungen von Ägypten, Saudi-Arabien und Jordanien helfen sollen.

Doch anscheined treiben die USA mit ihrer Unterstützung der israelischen Militärpolitik die Bevölkerungen der arabischen Staaten in die offenen Arme der IslamistInnen. Die Strategie des „Neuen Mittleren Ostens“ kann nämlich auch das Gegenteil hervorbringen und die religiösen Kräfte weiter nach rechts politisieren. Bereits beim ersten Einmarsch in den Libanon von 1982 war das erklärte Ziel der israelischen MilitaristInnen (wie Ariel Sharon), das Land zu zerstören, um danach eine israel-freundliche Regierung zu installieren. Das führte bis 1990 zu einem Bürgerkrieg im Libanon. Bei diesen Plänen spielt auch die Idee des Staatsgründers Ben Gurion eine grosse Rolle, dass die „natürlichen“ Grenzen Israels die Flüsse Jordan im Osten und Litani im Norden (Libanon) sein sollen. 1982 diente der Mordanschlag auf den israelischen Botschafter in London als Begründung für eine Invasion in den Südlibanon. Die Folge war die Gründung der Hisbollah („Partei Gottes“). Nun ist nach dem Grenzkonflikt der Südlibanon erneut zum Kriegsgebiet gemacht worden, auch wenn momentan ein Waffenstillstand herrscht, die libanesische Armee in den Süden einmarschiert ist und die UNO zu Hilfe geholt wird. Die deutsche Regierung schickt die Bundeswehr, um auch an dem Militäreinsatz (UNIFIL) teilzunehmen.



Eigentlich dauert der Gründungskrieg des Staates Israels seit 1948 an, denn solange die antisemitischen IslamistInnen von Hamas und Hisbollah das Existenzrecht des zionistischen Staates nicht anerkennen und nicht ruhen bis alle Jüdinnen und Juden vernichtet oder zumindest vertrieben sind, wird dieser Konflikt auch andauern. Iran, dessen Regierungschef Achmadinejad zur Vernichtung Israels aufruft, baut gleichzeitig weiter an seinem Atomprogramm. Mit Syrien hingegen gibt es bisher keine Einigung über die 1967 von Israel besetzten Golan-Höhen. Auch der von Sharon befohlene Rückzug aus dem Gaza-Streifen hat bisher keinen Frieden mit der Palästinensischen Autonomiebehörde gebracht, in der nun die islamistische Hamas regiert. Doch ohne eine Anerkennung der gegenseitigen Geschichtstrauma wird es auch zwischen jüdischen Israelis und muslimischen PalästinenserInnen keinen Frieden geben. Die Massenvernichtung europäischer Juden (Holocaust) und die Vertreibung der Bevölkerung Palästinas (Nakba) kann man zwar nicht historisch gleichsetzten, aber sie sind gleichbedeutend für das nationalistische Streben nach einem jeweils „eigenen“ Staat.

Die anarchistische Anti-Kriegs-Bewegung in Israel

Bereits zehn Tage nach Kriegsbeginn, am 22. Juli 2006, demonstrierten in Tel Aviv mehrere tausend Leute gegen den Krieg zwischen dem israelischen Staat und der halbstaatlichen Hibollah-Miliz. Das Bündnis aus Gruppen aus allen Teilen des Landes versammelte mehr Menschen als erwartet, so dass die Abschlusskundgebung auf dem total überfüllten Sinematec-Platz stattfand. Auch zweihundert AnarchistInnen beteiligten sich an der Demo mit eigenen Transparenten, Plakaten, schwarzen Fahnen, Sprechchören, Tanz und Gesang.

Auch am folgenden Samstag fanden sich in Tel-Aviv wieder 1.500 Leute zu einer Anti-Kriegs-Demonstration zusammen. Aufgerufen dazu hatte ein Bündnis von Frauenorganisationen und Friedensgruppen (Ahoti, Altafula, Aswat, Bat Shalom, Beit Nashim Feministi, FORA, Ittihad El-Maraa El-Takdumi, Kian Feminist Organisation, NELED, New Profile, TANDI, The Fifth Mother, Women´s Council Kufar Kar'a, WILPF, Woman against Violence, Woman against the War, Woman in Black). Vor dem anarchistischen Buchladen Salon Mazal hatte sich ein Demoblock der AnarchistInnen versammelt, die sich mit pinken Bändern von der schwarzgekleideten Masse abhoben. Mit eigener Trommelgruppe, Flaggen und Transparenten beteiligten sie sich an der Anti-Kriegs-Demo, wobei etwa hundert Leute immer wieder tanzend und singend auf Strassenkreuzungen halt machten. Die Polizei versuchte das zwar zu verhindern, aber es gab keine Verhaftungen.

Auch auf der dritten Demonstration am 05. August beteiligten sich wieder 300 AnarchistInnen an der Anti-Kriegs-Demo in Tel Aviv. Darunter auch internationale TeilnehmerInnen der queeruption-Konferenz, sowie ältere Mitglieder der libertär-kommunistischen Organisation Matspen. Eine anarchistische Blockade auf der Magen-David-Kreuzung wurde von der Polizei gewaltsam weggeschoben. Zu den VeranstalterInnen gehörten u.a. Anarchists against the Wall, Gush Shalom, Ta'ayush, Yesh Gvul, sowie feministische Gruppen, politische Parteien und israelische-arabische Organisationen. Allerdings gibt es auch Widerstand gegen die Anti-Kriegs-Bewegung. So wurde z.B. die Demo mit Eiern beworfen und 300 frisch ausgepackte schwarze Trauer- Fahnen wurden von drei Jugendlichen geklaut, die mit einem Auto flüchteten. Trotzdem war der Protestzug mit über 3.000 DemonstrantInnen ein kleiner Erfolg, obwohl nach Flaschenwürfen auf die Polizei zwei Leute verhaftet wurden. In den grossen Fernsehstationen war die Demonstration, die ein Ende von Krieg und Besatzung forderte, das Hauptthema des Abends.

Aber es konnten in den letzten Wochen auch direkte Aktionen gegen den Krieg realisiert werden. So gab es am 08. August eine Blockade der Ramat-David-Kaserne im Norden Israels (
http://www.flickr.com/photos/activestills). Dabei wurden 12 der 25 antiautoritären AktivistInnen vor der Luftwaffenbasis verhaftet, die mit Schildern ausser einem Ende der Kriegsverbrechen auch einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Gefangener gefordert hatten. Hagay Matar, der für Kriegsdienst-verweigerung zwei Jahre inhaftiert war, sagte dazu: „Von hier fliegen täglich PilotInnen, die unschuldige BürgerInnen ermorden. Anstatt die KriegsverbrecherInnen zu verhaften, macht uns die Polizei zu Kriminellen.“ Er wurde nun erneut verhaftet, weil er sich auf der unangemeldeten Demonstration mit anderen auf die Strasse vor dem Eingangstor gelegt hatte, ebenso wie der Kriegsdienstverweigerer Jonathan Polak.



Gleichzeitig geht der Widerstand gegen den Bau des iraelisch-palästinensischen Grenzzauns weiter. Die Initiative Anarchists against the Wall, internationale Solidaritätsgruppen und die palästinensische Dorfbevölkerung kämpfen seit Ende 2003 gegen die Errichtung des sogenannten Sicherheitszaunes, der ganze Gemeinden isoliert und die Dörfer von ihrem Zugang zu Ackerland und Wasser abhält. Jede Woche versuchen in Bil'in etwa hundert DemonstrantInnen den Sicherheitszaun zu erreichen, um ihn erneut niederzureissen. Die Demo wird üblicherweise von der israelischen Armee mit Wasserwerfern, Pfefferspray, Schockgranaten und „Gummi“-
Geschossen verhindert, was die lokalen Jugendlichen mit einem Steinhagel gegen die IDF beantworten. Seit Beginn des Israel-Libanon-Kriegs hat sich jedoch die Auseinandersetzung in den palästinensischen Gebieten verschärft. Auf der Freitagsdemonstration in Bil'in wurden am 11. August die israelischen AnarchistInnen von den Intifada-Jugendlichen mit Steinen beworfen mit der antisemitischen Begründung: „Die Juden sind alle gleich“.

Auf der selben Demonstration wurde ein Mitglied der Anarchists against the Wall von einem Gummigeschoss schwer am Kopf verletzt. Ein IDF-Soldat hatte das Stahlgeschoss mit Plastikmantel entgegen der militärischen Vorschriften (mindestens 40 m Abstand, nur auf die Beine zielen) ohne Vorwarnung abgefeuert. Ein Video beweist, dass das angeblich nicht-tödliche-Geschoss gezielt aus 10-20 m Entfernung eingesetzt wurde, noch bevor die ersten Steine geworfen wurden. Der verletzte Lymor Goldstein, Anwalt und anarchistischer Aktivist, wurde von einem Demo-Sanitäter notdürftig versorgt, da das Militär sich weigerte einen Krankenwagen zu rufen, der erst nach 15 min ankam. Er wurde erst nach zwei Stunden in das Krankenhaus von Tel Hashomer eingeliefert, wo er nach einer Notoperation mittlerweile wieder bei Bewusstsein ist. Allerdings können bleibende Schäden am Kopf noch nicht ausgeschlossen werden.

Bei der Ermordung von ZivilistInnen in Israel und Libanon machen die IDF und die Hisbollah in ihrer Rücksichtslosigkeit keinen Unterschied. Fast die Hälfte der Opfer der 3.500 Hisbollah-Raketenangriffe auf Israel sind AraberInnen, in deren Wohngebieten die israelische Regierung keine Luftschutzräume oder Alarmsirenen gebaut hat. Bis zum Waffenstillstand Mitte August wurden über 100 Menschen in Israel und über 1.000 Menschen im Libanon getötet, die meisten davon ZivilistInnen. Doch die Stimmen in Israel, die den Kriegseinsatz der IDF beenden wollen, mehren sich. Der Ministerpräsident Olmert wurde in der Zeitung Ha'aretz bereits zum Rücktritt aufgefodert.

Die anarchistische Anti-Kriegs-Bewegung im Libanon

Zu Beginn des Krieges war die Stimmung in der libanesischen Bevölkerung noch sehr kritisch gegenüber der Entführung der beiden IDF-SoldatInnen. Doch nach wochenlangen Bombardements auf libanesische Wohngebiete ist die Unterstützung für die Raketenangriffe der paramilitärischen Hisbollah auf israelische Städte gewachsen. Selbst nach dem Einmarsch der offiziellen libanesischen Armee in den Süden des Landes, weigert sich die islamistische Guerilla ihre Waffen abzugeben, wie es die UNO gefordert hat. Der Hisbollah-Chef Nasralla drohte jedem, der versuche seine Truppe zu entwaffnen, mit Verstümmelungen oder Enthauptung. Gleichzeitig ist die Hisbollah auch sozial aktiv und bildet einen Staat im Staat. Für eine von der IDF zerbombte Wohnung (etwa 30.000 sind zerstört worden) zahlt die schiitische Miliz bis zu 12.000 EUR Entschädigung.

Anti-Kriegs-Organisationen, wie in Israel, haben es in dem von der Hisbollah mitregierten Land ungleich schwerer. Die Libertär-kommunistische Alternative (Al Badil al Chououii al taharruri) ist eine der wenigen Gruppen, die sich weigern den Krieg gegen Israel zu unterstützen. Nachdem die israelischen Flieger und Kriegsschiffe den ganzen Libanon in Trümmerfelder verwandelt haben, haben jedoch viele ZivilistInnen ihre Kritik an der Hisbollah zugunsten der nationalen Einheit zurückgestellt. Dabei ist die „Partei Gottes“ auf bestem Weg ein Mullah-Regime nach iranischem Vorbild einzuführen. Die „Tugendwächter“ des Islamismus verbieten im Süden der Hauptstadt Beirut sogar laute Musik und Tanzen. Frauen müssen sich in Schwarz verhüllen, Alkohol ist verboten und die Korruption erlaubt dem muslimischen Nachbarland Syrien starken Einfluss.



Seit Anfang des Jahres bekämpfen sich zwei gegensätzliche soziale Bewegungen in der libanesischen Bevölkerung: Am 08. März demonstrierten pro-syrische Reaktionäre mit christlicher Unterstützung. Andererseits protestierten demokratische DemonstrantInnen am 14. März gegen die Ermordung des libanesischen Präsidenten Hariri, wofür sie Syrien verantwortlich machen. Ausserdem bildet die libanesische Kommunistische Partei eine weitere Strömung, die mehrheitlich den arabisch-nationalistischen Sozialismus (Nasserismus) vertritt und ebenfalls israelfeindlich ist. Das führte zu einer Abspaltung der „kommunistischen Intifada“, der die libertär-kommunistische Al Badil al Chououii al taharruri nahe steht. Al Badil wendet sich gegen die beiden Kriegsparteien Hisbollah und Israel. Sie sprechen sich ausserdem gegen die politischen Pläne des Westens für einen „Neuen Mittleren Osten“ aus, wie sie von den USA und ihren Alliierten vertreten werden. Aber auch Kampfeinsätze von UNO und libanesischer Regierung sind für sie untragbar.

Nur ein neuer linksorientierter Aufbruch, wie er seit dem 14. März begonnen hatte, könnte die Situation verbessern. Aber nicht ein Regierungswechsel, sondern nur die gegenseitige Hilfe und der gemeinsame Kampf gegen Unterdrückung und Herrschaft bringen soziale Veränderungen. Bis dahin fehlt es jedoch für Millionen Menschen im Libanon zunächst an Wohnraum, Nahrung und Medikamenten. Eine anarchosyndikalistische Initiative in Beirut, die Kontakt mit der französischen Arbeitskonföderation CNT-IAA hat, berichtete jüngst über die Nöte der libanesischen Bevölkerung im Widerstand gegen den tödlichen Militarismus von Hisbollah und Israel (http://cnt-ait.info/article_print.php?id_article=1265) und bittet um Öffentlichkeitsarbeit und Solidarität. Postalisch zugeschickte Spenden-Schecks unter dem Stichwort „solidarité Liban“ werden von der CNT-IAA direkt nach Beirut weitergeleitet.


Anarchosyndikat „eduCat“ (Köln/Bonn)
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