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Verteilungskämpfe im Einzelhandel

Nachdem die Bundesregierung zur Abfederung der Bankenkrise den Geldinstituten Milliarden Euro als Kredit und Bürgschaft versprochen hat,
versuchen nun auch die angeschlagenen Kaufhauskonzerne den staatlichen Geldregen in ihre Taschen zu lenken. Die Firma Arcandor bat bei der Regierung um Finanzhilfen, ansonsten sei die Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) nicht mehr abzuwenden.

Die Drohung der Firmenleitung mit Massenentlassungen kam nicht nur bei der politischen Führung schlecht an. Auch die Belegschaften der
Warenhäuser (und dazugehöriger Reisebüros) spüren nun die konkrete Drohung mit der sozialen Ausgrenzung durch Erwerbslosigkeit und Armut.

In dieser Situation gingen hunderte Verkäufer/innen auf die Straße, um die Arbeitsplätze in "ihrem" Betrieb noch irgendwie zu retten. Dabei haben viele der Angestellten und Arbeiter/innen offenbar noch immer die Hoffnung, dass Jahrzehnte der Betriebszugehörigkeit und aufopferungsvollen Treue zur Firmenleitung ihnen die baldige Kündigung ersparen könnten.

Aber sowohl die bevorstehende Insolvenzverwaltung, wie auch der "normale" Betriebsablauf, bedeuten Kapitalismus pur: Kosten senken durch möglichst hohe Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft. Das bedeutet nicht nur ein paar unbezahlte Überstunden, sondern Tag für Tag bereit zu stehen, damit der Warenfluss nicht unterbrochen wird. Immer freundlich abkassieren für die Chefs und Aktionäre, die Hände wundputzen, Kisten schleppen und stapeln - bis zum Umfallen! Oder bis zur Rente, die dann nicht reicht.

Dazu kommt, dass in vielen kleinen Städten die Kaufhäuser von Karstadt oder Quelle die einzigen sind. Nachdem mittelständische
Geschäfte in den letzten Jahrzehnten aufgekauft oder plattgemacht wurden, droht den Innenstädten ein weiterer Verlust. Wer kein Auto hat, kommt oft nur sehr schwierig zu den Billigläden am Stadtrand.

Aber es regt sich Widerspruch. Die Warnstreiks im Frühjahr haben gezeigt, dass selbst die reformistischen Gewerkschaftsfunktionäre
beim DGB sich gezwungen sahen zum (symbolischen) Arbeitskampf aufzurufen. Doch die Wut und Angst in den Belegschaften sind berechtigt und begründet. Und die lassen sich hoffentlich nicht einfach kanalisieren und abfertigen...

Wie soll es weitergehen?

Als Anarchosyndikalist/innen haben wir kein Vertrauen in sozialdemokratische Geldgeschenke des Wohlfahrtsstaates. Ebensowenig wollen wir unsere Stimme den Stellvertreter/innen in Politik und Betriebsrat übergeben. Wir sprechen im eigenen Interesse und lassen uns den Arbeitskampf nicht aus der Hand nehmen.

Daher kämpfen wir mit den wirtschaftlichen Mitteln von Streik, Boykott und anderen direkten Aktionen für die Übernahme aller Betriebe durch ihre Belegschaften. Die antiautoritäre Selbstverwaltung der gesamten (ökologisch sinnvollen und nichtmilitärischen) Produktion durch Gewerkschaften und die gerechte Verteilung des Konsums in selbstbestimmten Dörfern und Städten ist unser Ziel: der freiheitliche Sozialismus.

Daher ist unsere Antwort auf die Krise der kapitalistichen Wirtschaft weder der Ruf nach einem starken Staat, noch nach einer "besseren" marktwirtschaftlichen Ausbeutung, sondern die Selbstorganisation am Arbeitsplatz und in lokalen Stukturen auf Grundlage von
Vollversammlungen und Föderationen.

Solidarität global ­- Direkte Aktion lokal!

Anarchosyndikat Köln/Bonn
Bereich "Gastronomie & Einzelhandel"

http://anarchosyndikalismus.org/educat/gastronomie_und_einzelhandel/

aus: Brot & Rosen, # 2, Juni/Juli 2009