rot-schwarze fahne



Zum 9. November

Vom 8.-12. November 1938 wurden von den
Nazis ca. 8.000 Geschäfte jüdischer Menschen
in Deutschland geplündert, mindestens 177 Synagogen
in Brand gesteckt oder gesprengt und mindestens
91 Juden und Jüdinnen ermordet - ca. 30.000 Menschen
wurden festgenommen und in KZ gebracht.


In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 drückte sich der Wille eines Großteil der Deutschen aus, sich in den nationalsozialistischen Staat und dessen Ideologie mit all den zerstörerischen Folgen einzuordnen. Die Reichspogromnacht zeigt, wohin der Nationalstaat führen kann, denn jedem Staatsgedanken wohnt immer ein ausschließendes Gruppenverständnis inne. Ein nationales "Wir" wird immer durch Ausgrenzung von "Anderen" definiert. Der Staat legimiert sich gerade dadurch, dass er "seiner" Gruppe bessere Lebensbedingungen innerhalb seiner Grenzen verspricht und teilweise verwirklicht. Wenn Nicht-Staatsangehörige durch Überquerung dieser Grenzen versuchen, an den dortigen Lebensbedingungen teilzuhaben, bekommen sie die ganze Härte dieser nationalen Logik zu spüren.

Die jahrhundertelang verfolgten Jüdinnen und Juden hingegen, die in vielen verschiedenen Staaten leben, sind in der Logik des Antisemitismus stets international. Auch wenn sie oftmals ihre patriotische Gesinnung unter Beweis stellten, scheinen sie durch das angeblich "heimatlose" Judentum das nationale Prinzip des "Staatsvolkes" zu bedrohen. Der jüdischen Bevölkerung Deutschlands wurden ihre Staatsbürgerrechte nach der Machtübergabe an die NSDAP (1933) bzw. durch die Nürnberger "Rassegesetze" (1935) immer mehr entzogen (bis zur fast totalen Vernichtung des europäischen Judentums nach der Wannseekonferenz 1942).



Heute sind "Ausländergesetze" und andere Formen von Sondergesetzen nicht nur formal diskriminierend, weil sie lediglich für einen bestimmten Teil der Menschheit gelten. Sie haben ausserdem einen menschenverachtenden und auch rassistischen Inhalt, denn sie ordnen die Lebensberechtigung der betroffenen Menschen dem Staatsinteresse - dem nationalen "Standortvorteil" - unter. Der Staat bedroht daher MigrantInnen und Flüchtlinge mit dem Entzug der Aufenthaltsgenehmigung, er sperrt sie in Sammellager oder Abschiebeknäste und schickt sie dann in Folter und Tod.

Der globale Kapitalismus benötigt den nationalen Sicherheitsstaat

Insbesondere mit Hilfe von Polizei, Justiz und Arbeitszwang sichern die Herrschenden die ungleiche Verteilung von Gütern und Produktionsmitteln ab. Deshalb sind alle Vorstellungen vom Verschwinden der Nationalstaaten im globalen Kapitalismus Unsinn. Der "schlanke Staat", der zwar Sozialhilfe, Rentenzahlungen, Krankenversorgung usw. zunehmend abbaut, ist gleichzeitig ein "starker Staat", bei dem Polizeiüberwachung und kommerzielle Sicherheitsdienste weiter ausgebaut werden und weltweite Militäreinsätze alltäglich geworden sind. Der nationale Sicherheitsstaat sorgt für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung, also für die Fortsetzung von Ausbeutung, Unterdrückung, Hunger und Krieg.

Dabei unterstützen den Staat sowohl die KapitalistInnen in ihren Arbeitgeberverbänden, als auch die in Gewerkschaften organisierten Lohnabhängigen, die zu jedem "Bündnis für Arbeit" bereit sind. Die Gewerkschaftsfunktionäre, die sich dem Standortnationalismus von Kanzler und Industriebossen anbiedern, und jene ArbeiterInnen, die sich an rassistischer und antisemitischer Hetze beteiligen, formen ein Bündnis von "Mob und Elite", das an jene unheilvolle Allianz erinnert, die den Staatsterror im nationalsozialistischen Deutschland ermöglicht und unterstützt hatte.

Staatlich legitimierte Verfolgung muss
- ebenso wie Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus -
entschieden bekämpft werden!



Anarchosyndikat "eduCat"
[email protected]
http://www.anarchosyndikalismus.org


Fotos von der Demo am 09.November 2003 in Bonn:

Auftaktkundgebung am Mahnmal für die Bonner Synagoge (am Rheinufer bei der Kennedybrücke)
Zwischenkundgebung am Beethovenhaus, das einen Musiksaal nach dem NS-Kriegsverbrecher ("Wehrwirtschaftsführer") und Deutsche-Bank-Chef Hermann-Josef Abs benannt hat
"Deutschland normal?! - Keinen Alltag für Antisemitismus!" (Marktplatz)
Abschlusskundgebung mit über 50 TeilnehmerInnen am Mahnmal für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus (Kaiserplatz)